Am 21. Juni fand das 21. Duisburger KWK-Symposium, ausgerichtet vom Bundesverband Kraft-Wärme-Kopplung e. V. (B.KWK) und dem Lehrstuhl Energietechnik der Universität Duisburg-Essen, im Fraunhofer InHaus-Zentrum statt. Begrüßt wurden die Teilnehmenden von Prof. Dr. Harry Hoster vom Lehrstuhl Energietechnik der Universität Duisburg-Essen und Claus-Heinrich Stahl, B.KWK-Präsident.
Die erste Rednerin des Tages war Sabine Gores vom Öko-Institut. Dort ist Sie unter anderem mit der Evaluierung des KWKG betraut. Frau Gores fand einen gelungenen Einstieg in die aktuelle energiepolitische Situation, indem Sie die Bekämpfung des Klimawandels als Prüfstein für jegliche Energiepolitik setzte. Sie plädierte für einen handlungsorientierten Umgang mit Krisen in Politik und Gesellschaft. Zudem betonte Frau Gores, dass es einen von der Europäischen Union vorgeschriebenen finalen Ausstiegsplan aus fossilen Emissionen gäbe und die Nutzungskonkurrenzen unter den Abnehmern emissionsarmer Brennstoffe groß seien. Den Platz der KWK in einem neuen Strom- und Wärmesystem sieht Frau Gores begründet in der hohen Effizienz der Brennstoffnutzung und schließt mit den Worten: „KWK-Anlagen müssen passgenau die Residuallasten auf der Strom- und Wärmeseite innerhalb eines schlüssigen Energiesystems adressieren, damit sie Ihren Effizienzvorteil auch ausspielen.“ Anschließend stieg Prof. Dr. Markus Blesl, Abteilungsleiter Systemanalytische Methoden und Wärmemarkt an der Universität Stuttgart, in Energie- und Fernwärmeversorgungskonzepte ein. Bezogen auf Austausch- und Anschlussziele, den erforderlichen Netzausbau sowie die Verfügbarkeit von Arbeitskraft und Material kam er zu einem ernüchternden Schluss: Die Wärmewende könne nur gelingen, wenn 50 Prozent mehr Heizungssysteme ausgetauscht würden als bisher im Jahresdurchschnitt. Zudem sei die erhöhte Nachfrage nach Fernwärme schwer zu decken und die Koordination der verschiedenen Ebenen Bund, Land, Kommune mit ihren oftmals verschiedenen Klimazielen und verschiedenen Umsetzungsplänen und Finanzierungsmodellen ein weiterer Stolperstein auf dem Weg zur gelungenen Wärmewende. Prof. Dr. Harry Hoster startete seinen Vortrag direkt mit der Aussage: „Ohne molekülbasierte Speicher werden wir nicht auskommen – zumindest in der Wärme. Mit elektrischen Stromspeichern kommen wir nicht weit genug. Daher ist Wasserstoff alternativlos.“ Dabei wird es nach Prof. Dr. Hosters Annahme bis 2040 keine nennenswerte Rückverstromung von Wasserstoff geben, weil der Großteil des Wasserstoffes in Industrie und Verkehr gebraucht werden wird. Die Rolle der KWK-Anlagen sieht Hoster auch insbesondere in der Produktion von Wasserstoff.
Die Aussagen und Erkenntnisse des ersten Blocks flossen in die Podiumsdiskussion ein. Neben dem Moderator Othmar Verheyen (Universität Duisburg-Essen) waren Christian Mildenberger (LEE NRW), Sabine Gores (Öko-Institut), Prof. Dr. Harry Hoster, Prof. Dr. Markus Blesl und Claus-Heinrich Stahl (B.KWK-Präsident) eingeladen. Christian Mildenberger stellte sich mit einem Eingangsstatement vor und betonte, dass zu dem System 100-Prozent-Erneuerbare auch die Sektorenkopplung, der Verkehr und die Wärme gehören und „one-fits-all Lösungen“ nicht existieren würden. Schon jetzt gäbe es zum Teil negative Strompreise und Überschüsse bei den erneuerbaren Energien und selbst unter Einbeziehung der Elektrifizierung des Verkehrs und eines Netzausbaus würde es weiterhin Überschüsse geben. Die Frage sei nur, „regeln wir ab oder produzieren wir Wasserstoff?“
Ebenfalls thematisiert wurde die Sinnhaftigkeit des Anschlusses von Neubaugebieten an die Fernwärme gegenüber der Errichtung von Passivhäusern. Claus-Heinrich Stahl betonte, dass eine gesicherte Leistung insbesondere auch für Mischgebiete, Krankenhäuser und andere sensible Infrastruktur sowie Gewerbe und Industrie wichtig sei. Dabei wäre Contracting als Finanzierungsmodell zu wenig gesellschaftlich und politisch präsent. Sabine Gores ergänzte, dass die Förderung einer Investitionsmaßnahme zu oft ausschlaggebend für ihre Tätigung wäre, auch wenn eine wirtschaftliche Fahrweise ohne Förderung möglich sei. Die Diskutanten waren sich einig darüber, dass es eine kluge Förderkulisse geben müsse, die Anreize bietet, aber nicht „mit der Gießkanne ausschüttet“. Damit Deutschland als Wirtschaftsstandort eine Zukunft hat, brauche es aber auch politische Klarheit und größtmögliche Handlungsspielräume in der Verwirklichung der Ziele Klimaneutralität und Energiewende. Der Moderator Othmar Verheyen stellte abschließend noch die Frage in die Runde, was das Energiesystem der Zukunft mitbringen müsse: Es brauche wieder mehr Geduld, damit sich Investitionen auszahlen könnten, Flexibilität und Kapazität sollten in einem neuen Strommarktdesign belohnt werden und Speichertechnologien flächendeckend zum Einsatz kommen, so die Schlussworte auf dem Podium.
Am Nachmittag wurde es praktisch mit Anwendungsbeispielen aus den Bereichen kommunale Versorgung, Objekt- und Quartiersversorgung, biogene Brennstoffe und Industrie. Prof. Dr. Raphael Lechner, Experte für digitale Energiesysteme und Sektorkopplung an der Ostbayerischen Technische Hochschule Amberg-Weiden, zeigte anhand einiger Praxisbeispiele, wie grüne Wärmenetze mit KWK zu realisieren sind. Anschließend führte Mirko Leube von der in Hannover ansässigen Kraftwerk Kraft-Wärme-Kopplung GmbH durch Best-Practice Beispiele in der dezentralen Objekt- und Quartiersversorgung. Dabei wurde besonders deutlich, dass die Kombination Wärmepumpe und BHKW auf der kleineren Leistungsebene bei einer flexiblen, netzdienlichen Fahrweise hervorragend zusammenpasst und deutlich effektiver ist als die Kombination Wärmepumpe mit einem Gaskessel. Die Residuallasterzeugung mit KWK in Objekt und Quartier hat viele Vorteile: Eine Wärmesenke ist vorhanden, Elektromobilität und der Betrieb einer Wärmepumpe sind abgesichert und es erfolgt dezentrale Wertschöpfung und eine Stärkung des ländlichen Raumes.
Kevin Carl vom Lehr- und Forschungsgebiet Technologie der Energierohstoffe der RWTH Aachen hielt einen Vortrag zur Nutzung von Abfall- und Reststoffen in KWK-Anlagen. Er betonte, dass gerade in der Verwertung anthropogener Abfälle traditionell und sinnvollerweise Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen eingesetzt werden. Das Ziel müsse aber eine zirkuläre Wirtschaft sein, in der Recycling und Wiederaufbereitung Vorrang vor einer energetischen Verwertung haben. Es entstehen allerdings immer auch Abfälle, bei denen die Verbrennung oder Vergärung unvermeidlich ist. Hocheffizient geschieht dies in KWK-Anlagen und wird zukünftig vermehrt mit der Speicherung und Nutzung des CO₂ kombiniert werden, so Kevin Carl mit Verweis auf Holzvergaser mit dem Nebenprodukt Pflanzenkohle. Diese kann beispielsweise zur Verbesserung der Wasserrückhaltefähigkeit von Böden eingesetzt werden oder beigemischt in Zement als langfristiger Kohlenstoffspeicher fungieren. Abschließend stellte Dr. Klaus Payrhuber von INNIO Jenbacher verschiedene realisierte und geplante Wasserstoff-KWK-Projekte vor. INNIO Jenbacher kann auf über 25 Jahre Erfahrung mit der Beimischung von Wasserstoff und der Umrüstung auf Wasserstoff zurückgreifen. Mittlerweile können Ihre Motoren mit 100 Prozent Wasserstoff ohne Leistungseinbußen laufen. Im Werk in Jenbach wird ab 2024 grüner Wasserstoff in Kooperation mit dem lokalen Energieversorger produziert. Als weiteres Beispiel wurde ein Rechenzentrum in den Niederlanden genannt, dessen Back-Up-Versorgung auf Wasserstoff basiert. Bei längeren Netzausfällen ist es möglich im laufenden Betrieb von Wasserstoff auf Erdgas zu wechseln. Vielen Dank an dieser Stelle an unsere Sponsoren INNIO Jenbacher und Kraftwirte/Stadtwerke Lemgo sowie unsere Referenten und Referentinnen und alle, die an der Veranstaltung teilgenommen haben.
Nächstes Jahr sehen wir uns am 19. Juni in Duisburg zum 22. KWK-Symposium.
Vorträge des 21. Duisburger KWK-Symposiums 2023 – Zum Download
Sabine Gores, Öko-Institut: Die aktuelle energiepolitische Situation
Prof. Dr. Markus Blesl, Universität Stuttgart, Energie- und Fernwärmekonzepte auf lokaler Ebene
Prof. Dr. Harry Hoster, Universität Duisburg-Essen, Power to hydrogen“ oder „Hydrogen to Power“: wo treffen sich Wasserstoff und KWK?
Prof. Dr. Raphael Lechner, OTH Amberg-Weiden, Grüne Wärmenetze mit KWK
Kevin Carl, RWTH Aachen, Nutzung von Rest- und Abfallstoffen in KWK-Anlagen
Mirko Leube, Kraftwerk Kraft-Wärme-Kopplung GmbH, Dezentrale Sektorenkopplung mit BHKW – Potentiale der KWK in der Objekt- und Quartiersversorgung
Dr. Klaus Payrhuber, INNIO Jenbacher GmbH, Ready for H2- KWK in der Industrie mi Wasserstoff – Schon jetzt! Best-Practice: Klimaneutrale Industrie