KWK und Kraftwerksstrategie: Branche wünscht sich schnelle KWKG-Novellierung zur Abdeckung zusätzlich benötigter Kraftwerksleistung

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Berlin/Essen, 21.02.2024. Anfang Februar hat die Bundesregierung ihre Einigung zu den wichtigsten Elementen der lang ersehnten Kraftwerksstrategie bekanntgegeben. Der Bundesverband Kraft-Wärme-Kopplung e.V. (B.KWK) begrüßt die festgelegten Eckpunkte und drängt auf eine baldige Novelle des Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetzes (KWKG) zur Flankierung der Kraftwerksstrategie. In Ergänzung zu dieser könnte ein weiterentwickeltes KWKG die bis 2030 verbleibenden 15 Gigawatt (GW), die nicht über die Kraftwerksstrategie abgedeckt werden, über KWK-Kraftwerke und Biomasse-KWK beisteuern. Die Branche bemängelt schon lange die ungewisse Perspektive des KWKG, die zum Ausbleiben von Investitionen führe. Großen Einfluss auf die Ausgestaltung einer KWKG-Novelle dürfte auch das kürzlich gesprochene Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) nehmen. Dieser urteilte im Januar, dass die KWKG-Förderung keine staatliche Beihilfe darstelle. 

Bundesregierung gibt Einigung zur Kraftwerksstrategie bekannt

Lange hat die Branche darauf gewartet: Am 5. Februar gab die Bundesregierung die Eckpunkte der ausstehenden Kraftwerksstrategie bekannt. Diese soll die nötigen Back-Up-Kapazitäten zur Absicherung der volatilen Erneuerbaren Energien schaffen. Geplant sind Investitionen in wasserstofffähige Kraftwerke in Höhe von 16 Milliarden Euro in den nächsten 20 Jahren. Diese sollen ab einem im Jahr 2032 festzulegenden Umstiegsdatum zwischen 2035 und 2040 vollständig auf Wasserstoff umgestellt werden. Zudem soll ab 2028 ein Kapazitätsmechanismus greifen. Anders als noch im Entwurf der Kraftwerksstrategie von 2023, werden weder Biomasseanlagen noch KWK-Kraftwerke erwähnt, auch hat sich das ursprünglich angesetzte Investitionsvolumen von 60 Milliarden Euro deutlich verringert und die auszuschreibende Kraftwerksleistung wurde von 30 auf zehn Gigawatt herabgesetzt.

„Wir begrüßen die festgelegten Eckpunkte zur Kraftwerksstrategie grundsätzlich und empfehlen die bis 2030 zusätzlich benötigten 15 Gigawatt an Kraftwerksleistung über ein novelliertes Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz sowie Biomasse-KWK abzudecken“, erklärt Claus-Heinrich Stahl, Präsident des Bundesverbandes Kraft-Wärme-Kopplung e.V. (B.KWK) und führt weiter aus: „Wir begrüßen zudem, dass Effizienz und Technologieoffenheit in der Kraftwerksstrategie wiederkehrende Begriffe sind. Auch dass die auszuschreibende Kraftwerksleistung auf zehn Gigawatt gesenkt wurde, sehen wir als Schritt in die richtige Richtung.“

Wichtig sei nun, laut B.KWK, dass die zehn Gigawatt auszuschreibende Kraftwerksleistung an den hauptnetzdienlichen Punkten installiert werden, um so einen optimalen Spitzenlastausgleich zu schaffen und den Netzausbau zu unterstützen. Zudem sollten zunächst, anstatt auf den Wasserstoffhochlauf zu warten oder auf die Kernfusion zu hoffen, die bestehenden Bioenergieanlagen stabilisiert und flexibilisiert werden. Der B.KWK setzt sich seit Jahren für die Flexibilisierung von Biogasanlagen mit netzdienlicher Fahrweise ein.

KWKG-Novelle soll Kraftwerksstrategie ergänzen

Der B.KWK sieht in den jüngsten Entwicklungen zur Kraftwerksstrategie ein vorsichtiges Zeichen der Politik in Richtung Novelle und Verlängerung des 2026 auslaufenden Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (KWKG), zur Bereitstellung von Strom und Wärme in Dunkelflauten, ergänzend zu den Großkraftwerken der Kraftwerksstrategie. Von Vorteil für den angespannten Bundeshaushalt wäre dabei auch die haushaltsunabhängige Finanzierung von KWK-Kraftwerken, Wärmenetzen und Speichern über das umlagefinanzierte KWKG.

„Eine schnelle Anpassung des KWKG zur Flankierung der Kraftwerksstrategie ist eine Chance, die es jetzt zu ergreifen gilt. Eine Novellierung des KWKG sollte bis zur Sommerpause 2024 auf den Weg gebracht werden. Wichtig ist dabei unter anderem eine Verlängerung des KWKG bis mindestens 2035, da Verzögerungen bereits heute dazu führen, dass notwendige Investitionen nicht getätigt werden“, so Claus-Heinrich Stahl. Die Details der KWKG-Novelle sowie der Kraftwerksstrategie sollten, laut Stahl, in enger Zusammenarbeit zwischen der Politik, den betroffenen Branchenverbänden und der Bundesnetzagentur ausgestaltet werden.

Branche bemängelt unklare Perspektive

Hersteller von KWK-Kraftwerken beklagen schon lange die unklare Perspektive des Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetzes. Cord Müller, Geschäftsführer bei EC Power erklärt: „Im Markt ist seit dem letzten Jahr eine gewisse Zurückhaltung beim Einsatz von KWK, insbesondere in Gebäuden und Quartieren, zu beobachten. Eine wesentliche Ursache ist das Vorgehen der Ampelregierung bei der Neufassung des Gebäudeenergiegesetzes. Die Branche muss hier viel Aufklärungsarbeit leisten, um daraus resultierenden Unsicherheiten entgegenzusteuern. Nicht hilfreich ist auch das bisherige Regierungshandeln beim KWKG; unter anderem steht die im Gesetz festgeschriebene Evaluierung von KWK-Stromerzeugung für 2022 nach wie vor aus. Das irritiert Investoren zusätzlich, wenngleich dies für die KWK in Gebäuden und Quartieren aufgrund der kurzen Realisierungszeiten von etwa zwei Monaten keine negativen finanziellen Auswirkungen hat. Trotzdem ist es wichtig, dass mit der Novellierung und einer vorzeitigen Verlängerung des KWKG bis weit in die 2030er Jahre ein Statement pro KWK gesetzt wird.“ Auch Stefan Liesner, Head of Marketing bei 2G Energy betont: „Die Politik muss dringend mehr Investitionssicherheit schaffen. Das gilt für KWK-Kraftwerke genauso wie für die Investitionen in Wasserstofffähigkeit bei Neuanlagen und Umrüstung.“ Beides müsse wirtschaftlich darstellbar sein und sachgerecht in einer Förderstruktur abgebildet werden, so Stefan Liesner.

Bei der Neugestaltung des KWKG sei es, laut Joachim Maier, Geschäftsführer der INNIO Jenbacher Deutschland GmbH, wichtig, insbesondere die geförderten kürzeren Jahresvollbenutzungsstunden von KWK-Kraftwerken in den Fokus zu rücken. Diese würden sich künftig noch weiter reduzieren. Denn um im Erneuerbaren Energiesystem der Zukunft punktgenau dann Strom und Wärme zu liefern, wenn die Balance des Systems gesichert werden muss, bedürfe es eines neuen KWKG-Fördersystems. „Mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien wächst die Herausforderung, Angebot von und Nachfrage nach Energie in Balance zu halten. Um Energiespitzen zu decken, wird schnell regulierbare Leistung immer wichtiger. Das gilt besonders in Zeiten von Dunkelflauten, also wenn Wind und Sonne nicht verfügbar sind“, so Maier. Daher schlägt er vor, dass ein Teil der Förderung für die erbrachte Leistung und der andere Teil für die erbrachten Laufstunden gewährt wird. INNIO leistet mit seinen hochflexiblen, schnellstartenden und wasserstofffähigen KWK-Kraftwerken einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit in Deutschland. „Mit unserer Technologie kann INNIO das Rückgrat der Versorgungssicherheit in Deutschland abbilden“, erklärt Maier. Auch Johannes Meinhold, Geschäftsführer von SOKRATHERM betont, dass der für das Gelingen der Energiewende essenzielle Aspekt der Residuallast bisher viel zu wenig beachtet worden sei. „Wärmepumpen und E-Mobilität werden diese Entwicklung künftig noch weiter beschleunigen. Das erfordert neben Wind- und Solarenergie hochflexible Kraftwerkskapazitäten in signifikantem Ausmaß. Leider liegt der politische Fokus aber bisher nur auf großen Kraftwerksblöcken und Effizienzkriterien spielen keine Rolle. Das Ziel für eine ambitionierte Fortführung des KWKG muss daher der schnelle Zubau jeglicher hocheffizienter KWK-Leistung für eine kostengünstige, sichere und nachhaltige Energieversorgung sein.“

Zubau von sechs Gigawatt KWK-Erzeugungsleistung pro Jahr möglich

Durch den Ausbau des KWKG könnten in Laufzeit und Brennstoffeinsatz flexible dezentrale KWK-Kraftwerke netzdienlich Strom erzeugen und die Kosten für den Netzausbau und die benötigte Absicherung in der Strom- und Wärmeversorgung senken. Im Gegensatz zu ungekoppelten Gasturbinen mit Wirkungsgraden von etwa 40 Prozent, nutzen KWK-Kraftwerke den eingesetzten Brennstoff bis über 90 Prozent aus. Dieser Effizienzvorteil ist insbesondere vor dem Hintergrund der Knappheit und der Kosten erneuerbarer Brennstoffe von hoher Bedeutung.

Nach einer Erhebung des B.KWK ist ein Zubau von sechs Gigawatt KWK-Erzeugungsleistung pro Jahr ohne Weiteres möglich. Dieser Zubau dezentraler Kraftwerkskapazitäten könnte zudem den dringend benötigten Rollout von Wärmepumpen und Elektromobilität beschleunigen. Eine Flexibilisierung vorhandener Biogasanlagen könnte weiteren Bedarf gerade auf dem Land decken. Die nötigen Hebel dazu verstecken sich im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und der sogenannten „Flexprämie“ für Biogasanlagen.

EuGH-Urteil macht Weg frei für Verlängerung des KWKG 

Großen Einfluss auf die Ausgestaltung einer KWKG-Novellierung dürfte das kürzlich gesprochene Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) nehmen. Dieser urteilte im Januar dieses Jahres, dass die KWKG-Förderung keine staatliche Beihilfe darstelle. Die Branche begrüßt das Urteil. „Der Rechtsstreit der Deutschen Bundesregierung und der EU-Kommission hat einen sehr positiven Ausgang für die Energiebranche genommen und ebnet der KWK ihren Weg ins Energiesystem der Zukunft“, erklärt Claus-Heinrich Stahl. Beihilferechtliche Vorbehalte für eine Weiterentwicklung des KWKG seien nicht länger gegeben. Die Verlängerung und Anpassung des KWKG dürfte mit dem neuen Spielraum deutlich einfacher werden.

Was jetzt zu tun ist: Novelle des KWKG

Die Bundesregierung hat verstanden, dass Back-Up-Kapazitäten zur Absicherung von Dunkelflauten nicht bestmöglich durch den Bau zentraler Großkraftwerke mit langen Realisierungszeiten entstehen. So wie Erneuerbare Energien dezentral aufgestellt sind, sollte auch die Absicherung dieser primär dezentral erfolgen. „Nun geht es darum, schnell in den Dialog zu treten und die Weiterentwicklung und Verlängerung des KWKG auf den Weg zu bringen“, erklärt Claus- Heinrich Stahl. Dazu hat der Verband, in enger Rücksprache mit seinen Mitgliedern, eine Reihe an Empfehlungen für eine bestmögliche Ausgestaltung der Residualversorgung und Erreichung des Klimaneutralitätsziels 2045 zusammengestellt:

Neuausrichtung und Verlängerung des KWKG bis mindestens 2035 mit höheren jährlichen Zubauzielen und Fokussierung auf klimaneutrale Brennstoffe nach Verfügbarkeit zur Residuallastdeckung

  • Streichung aller beihilferechtlichen Aspekte und Vorbehalte u. a. in § 35 Absatz 19 KWKG
  • Investitionssicherheit und Planbarkeit durch langfristige Rahmenbedingungen
  • Beschleunigung und Vereinfachung von Genehmigungsverfahren
  • Abstimmung von Netzentwicklungsplänen mit der kommunalen Wärmeplanung und der Industrie
  • Hebung aller Potentiale für Biogas und Biomethan
  • Wasserstoffhochlauf
  • Strom- und Wärmespeicherstrategie
  • Verbesserung der Rahmenbedingungen für weitere Flexibilisierung von Biogas
  • Investitionsförderung für stromseitig geführte netzdienliche KWK-Kraftwerke:
    • für insgesamt 10.000 h Gesamtlaufzeit entsprechend der heutigen Fördersumme je kWh von 30.000 h je nach Anlagengröße, ausgezahlt als
    • 70 Prozent Investitionsförderung verteilt auf fünf Jahre bei einer Mindestlaufzeit von 500 Vollbenutzungsstunden pro Jahr (VBh/a)
    • 30 Prozent Mengenförderung (Arbeitszuschlag) je kWh für 1000 VBh/a entsprechend der oben genannten angepassten Gesamtfördersumme und 10.000 Vollbetriebsstunden

Durch die Begrenzung der jährlich geförderten Betriebsstunden, unter anderem für neue oder modernisierte KWK-Kraftwerke, würde gewährleistet werden, dass die Anlagen in dem zuvor benannten Zeitraum betrieben werden. „KWK ist Efficiency First bei der Nutzung von klimaneutralen Brennstoffen, wie Wasserstoff oder Bioenergie. Der Einsatz der KWK senkt damit nicht nur den Gesamtbedarf von klimaneutralen Brennstoffen, sondern wirkt sich auch mindernd und damit optimierend auf die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten der Energiewende aus“, betont Claus-Heinrich Stahl.

 

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