Das Duisburger KWK-Symposium feierte am 8. Dezember 2022 einen runden Geburtstag. Bereits zum 20. Mal lud Othmar Verheyen im Namen des Lehrstuhls für Energietechnik der Universität Duisburg-Essen Expert*innen, Wissenschaftler*innen und Interessierte ein, die Rolle der KWK in der Energiewende zu diskutieren. Zum ersten Mal war der B.KWK dieses Jahr der Hauptveranstalter.
Den Aufschlag machte Prof. Dr. Andreas Löschel vom Lehrstuhl für Umwelt-/Ressourcenökonomik und Nachhaltigkeit der Ruhr-Universität Bochum und Vorsitzender der Expertenkommission „Energie der Zukunft“ der Bundesregierung. Er führte das Publikum durch die aktuelle energiepolitische Situation auf dem Weg zur Klimaneutralität und nahm dabei eine sozial-ökonomische Perspektive ein. Prof. Dr. Löschel skizzierte eine Strategie für die deutsche Energiewende und die nötigen Neujustierungen des energiepolitischen Zieldreiecks aus Bezahlbarkeit, Umweltverträglichkeit und Versorgungssicherheit. Ein regulatorischer Rahmen sollte Klimaschutz, grüne Innovationen und Infrastrukturausbau vorantreiben und gleichzeitig Wettbewerbsfähigkeit und Energiesouveränität sichern. Prof. Dr. Löschel hält eine globale CO₂-Bepreisung sowie die Förderung von Forschung und Entwicklung grüner Energietechnologien dabei für zentral.
Der Vortrag von Dr. Daniel Bick von Open Grid Europe (OGE), einem der führenden Fernleitungsnetzbetreiber Europas, zur Verfügbarkeit von Wasserstoff in Deutschland und zum Aufbau einer übergreifenden Infrastruktur stieß auf reges Interesse bei den Teilnehmenden. Wasserstoffverfügbarkeit ist in der KWK das Thema der Stunde, wird doch die Verfügbarkeit des grünen Wasserstoffes, gewonnen aus regenerativen Energien und dessen Rückverstromung und Nutzung für die Wärmeversorgung zum bestimmenden Thema für die Zukunftsfähigkeit der KWK in einer defossilisierten Welt. Dr. Bick nahm in seinem Vortrag die nationale Wasserstoffstrategie, den European hydrogen backbone sowie konkrete Projekte in der Industrie und der Wärmewende in den Blick.
Im Anschluss führte Dipl.-Ing. Heinz Ullrich Brosziewski, Vize-Präsident des B.KWK und Inhaber eines Beratungsbüros mit dem Schwerpunkt KWK, die Anwesenden durch den Regularien-Dschungel. Gewohnt humorvoll zog er aus den vielen gesetzlichen Neuregelungen der letzten Monate die Essenz und forderte die Teilnehmer*innen auf, sich in den politischen Prozess einzubringen, Daten zu liefern und Stellung zu beziehen. Die KWK werde weithin nach wie vor als Stromerzeugungstechnologie behandelt und nicht als „sektorkoppelndes Gesamtsystem“ und Baustein einer sicheren erneuerbaren Energieversorgung, was zu ändern sei. Ein besonders eindrückliches Plädoyer hielt Heinz Ullrich Brosziewski für die Aufnahme der KWK in das 65-Prozent-EE-Ziel in der Wärmeversorgung. Eine KWK-Anlage kann insbesondere in Kombination mit einer Wärmepumpe und E-Ladestationen dafür sorgen, dass die Netze entlastet werden und die Residuallast effizient und zuverlässig gedeckt wird. Diese Argumentation wurde graphisch durch Gegenüberstellung von Netzlast und erneuerbarer Energieerzeugung in verschiedenen Szenarien gestützt.
An der Podiumsdiskussion unter der Leitung von Othmar Verheyen (3.v.r.) beteiligten sich (v.l.n.r.) Heinz Ullrich Brosziewski, Dr. Daniel Bick, Tobias Roth (AGFW (als Vertretung für Gerd Krieger (VDMA)), Stefan Lochmüller (N-Ergie), Prof. Dr. Andreas Löschel und B.KWK-Präsident Claus-Heinrich Stahl. Gegenstand der Diskussion waren unter anderem fehlende europäische Lösungen für eine Wasserstoffinfrastruktur sowie die Gestaltung des Übergangs von Erdgas zu Wasserstoff. Die Teilnehmer sehen die Regierung in der Pflicht, Planungssicherheit durch transparente und vorausschauende Politik und Absicherung von ökonomischen Risiken der Netzbetreiber beim Ausbau einer europäischen Verteilstruktur herzustellen. Für eine gelungene Energiewende als unabdingbar sehen die Teilnehmer stabile Rahmenbedingungen, die Investitionsanreize setzen. Ein weiterer limitierender Faktor liege bei der Bereitstellung der Komponenten von Netzen und Anlagen und auch in den fehlenden freien Kapazitäten im Tiefbau für Leitungen.
Weiterhin wurde diskutiert, wie mit den extrem kurzen Fristen für Stellungnahmen zu verfahren sei. Zum Teil ist es den Verbänden schlicht nicht möglich, sich zu positionieren. Eine gute Vernetzung unter den Verbänden, sowie eine regelmäßige Rückmeldung an das Ministerium seien hier vonnöten.
Stefan Lochmüller fasst die Diskussion passend zusammen: „Für die erneuerbare Transformation unter Anerkennung der Wirklichkeit des Marktes braucht es ein starkes regulatorisches Werk, um die Energiewende durchzusetzen und die 50 Jahre, die wir verloren haben, aufzuholen. Aber wir brauchen Verlässlichkeit der politischen Rahmenbedingungen und in der Bereitstellung der erneuerbaren Brennstoffe.“
Nach der Mittagspause startete Stefan Lochmüller (N-Ergie) mit seinem Vortrag „Klimaneutralität bei Strom- und Wärme in Nürnberg – Strategien, Aktivitäten und Hemmnisse“. Die Stadt Nürnberg setzt auf einen massiven Ausbau der Fernwärmenetze, Wärmespeicher, den Einsatz von Großwärmepumpen und wollte Bedarfe biomassebasiert, unter anderem durch Altholzkraftwerke, decken. Da der Einsatz von Biomasse für Energie- und Wärme politisch ungewollt ist, sind solche Planungen risikobehaftet. „Auch Stadtwerke bräuchten Planungssicherheit und funktionierende Finanzpläne“, so Lochmüller. Zudem reiche das geplante Investitionsvolumen für die nötigen Maßnahmen, insbesondere den Ausbau der Verteil- und Fernwärmenetze, nicht aus. Die politische Unsicherheit, die unklare Versorgungslage mit erneuerbaren Gasen und Wasserstoff, die fehlende Infrastruktur verzögert die Umsetzung der Wärmewende. Lochmüller: „Jedes Jahr Verzögerung macht die Energiewende teurer und die Zielstellung der Klimaneutralität unerreichbarer. Wir garantieren den Leuten günstige Fernwärme, aber auch wir müssen die Preise anheben. Die Vorgaben zur kommunalen Wärmeplanung, die auf Landesebene noch lange nicht rechtlich verankert sein werden, kommen zu spät und werden nicht dazu führen, dass die besten Lösungen, technologieoffen und angepasst an die Gegebenheiten der jeweiligen Standorte, verwirklicht werden. Das Ziel, dass die Wärmeversorgung bis 2030 klimaneutral erfolgt, ist so unerreichbar.“
Landwirt und Biogasanlagenbetreiber Martin Laß (Agrarservice Lass GmbH, Energiedorf Gettorf) beleuchtete die Lage der Biogasbranche und die kommunale Wärmewende in ländlichen Gebieten in seinem Vortrag „Von der Biogasanlage zum 100 % CO₂-neutralem Quartier – Oder: wie die Energiewende gelingt“. „Die Strompreisbremse sorgt für eine Diskriminierung der Biogasbranche, indem kein Unterschied in der Vergütung zwischen Dauerläufern und hochflexiblen Biogasanlagen gemacht wird“, so Laß. Seit 2016 läuft seine Anlage als regeneratives Speicherkraftwerk – alles ist voll flexibilisiert. In seinem Biogasspeicher passt Energie für ein ganzes Dorf – 1 Füllung entspricht 14 000 Solarspeichern. Dabei setzt Laß auf Veredelung statt Vermaisung und setzt verschiedene Rohstoffe zur Biogasgewinnung ein (von Gülle über Zwischenfrüchte bis hin zu Stroh). Dezentrale Sektorenkopplung mit massivem Ausbau der Solar- und Windanlagen in Kombination mit Power-to-X-Anlagen, flexiblen Biogasanlagen und Wärmespeichern macht CO₂-neutrale Quartiere möglich und schafft regionale Wertschöpfung – wie das Beispiel Gettorf zeigt.
Björn Hunstock vom Fraunhofer UMSICHT stellte als das Projekt enerPort II vor, bei dem das Institut Projektpartner des Duisburger Hafens ist. Die technischen Details der MTU-Wasserstoff-BHKW, der Brennstoffzellen und der bedarfsgerechten Optimierung des Anlagenbetriebs steuerte Gerhard Klink von Rolls Royce Solutions Augsburg/MTU bei. Der Weg zur Verwirklichung von Europas ersten klimaneutralen Binnenhafen in Containerbauweise begann mit dem Spatenstich im März 2022 – die Realisierung des Projekts wird noch 2023 oder 2024 erwartet. Der Duisburger Hafen ist der größte Binnenhafen Europas. Durch enerPort II entwickelt er sich zu einem Vorzeigeprojekt bezüglich der Nutzung und Bereitstellung von Wasserstoff. Die Elektrifizierung vieler Prozesse und die Abkehr von fossilen Brennstoffen macht eine Transformation der Häfen mit Sektorenkopplung für eine sichere, wirtschaftliche und umweltverträgliche Energieversorgung und -nutzung nötig. Binnenhäfen verknüpfen Industrie, Gewerbe und ggf. Wohnen miteinander und brauchen demnach eine optimale Energieversorgung im Quartier. Teil des Konzepts sind H₂-Brennstoffzellen zur Landstromversorgung von Schiffen, Wasserstoff-BHKW für die Strom- und Wärmeversorgung des Terminals, die Installation von PV-Anlagen/-Folien auf Freiflächen, Dächern und Fassaden sowie elektrische und thermische Speicher. Der Duisburger Hafen soll idealerweise zukünftig als Wasserstoff-Hub und Keimzelle für weitere Projekte dienen. Eine mögliche Ausweitung des Projektes beinhaltet die Elektrolyse und Speicherung von Wasserstoff sowie H₂-Tankstellen und H₂-Lokomotiven.
Zu guter Letzt stellte Prof. Dr. Harry Hoster die Forschungsthemen zum Thema Wasserstoff am Lehrstuhl Energietechnik der Universität Duisburg-Essen vor. Die Themen erstrecken sich dabei von Bedarfs- und Potentialanalysen über Elektrolysetechniken, über die Nutzung in Brennstoffzellen, im Verkehr und die Speicherung und den Transport von Wasserstoff. Dabei machte Prof. Dr. Hoster deutlich, dass Wasserstoff von herausragender Bedeutung ist, was die Speicherung von erneuerbarer Energie angeht und ein Wasserstoffhochlauf alternativlos sei.
Das 21. Duisburger KWK-Symposium wird am 21. Juni 2023 erneut im Fraunhofer inHaus Zentrum stattfinden. Weitere Informationen dazu finden Sie in Kürze unter folgendem Link: 21. Duisburger KWK-Symposium (bkwk.de).